#5: Q-los, Tankstellen, Blechkiste
Schönen Sonntag,
Kaum hat der Mai begonnen, neigt sich für die Brückentag-Optimierer schon ein langes Wochenende dem Ende zu. Wer klug geplant und vier Urlaubstage geopfert hat, konnte sich diesmal satte neun Tage am Stück freischaufeln – es sei denn, man verdient seine Brötchen in Branchen, die gerade dann brummen, wenn alle anderen frei haben. Ob es bei Sono aktuell brummt, oder ob das nur ein Kurzschluss am Teststand ist, schauen wir uns heute wieder an.
+++ QUITTIERT +++
Nicht nur unser Tennisheld Bobbele Boris ist seit dieser Woche die Insolvenz los, auch Sono darf offiziell das “Q” am Ende des Tickersymbols (SEVCQ) wieder entfernen. Das Q steht für “Konkursindikator”. Am 25. April kam das offizielle Schreiben der FINRA (Financial Industry Regulatory Authority) dass das Q aus dem Tickersymbol entfernt werden darf.
in einigen Portalen kommt dafür ein F hinzu, was für “Foreign Issuer” steht.
Eine Pressemitteilung (20-F) verkündet die News, und erwähnt auch gleich, dass John O'Leary seit 8.4. Vollzeit in der N.V. als CEO/CFO arbeitet. Alle im Team, (gemeint ist der noch zweiköpfige AR - drei sind angestrebt) sind der Meldung nach bestens geeignet, die N.V. weiterzubringen, haben sie doch Finanz- Pharma- und IT-Hintergründe. Was die N.V. so machen wird, weiß man nicht. Finanziell ist sicher einiges zu tun. Ansonsten ist nicht die Nasdaq das derzeitige Ziel, sondern, wie schon neulich berichtet, die Zulassung zum Handel am OTCQB Finanzmarkt.
(Wie immer, keine Anregung hier irgendwas zum kaufen oder zu verkaufen, rein informativ ohne Wertung)
https://ir.sonomotors.com/node/7861/html#exh_991.htm
+++ JAHRESABSCHLUSS 2023 VERSPÄTET +++
Das wundert ja gar nicht mehr. Die N. V. bleibt sich treu. Am 30.4. kam die Meldung, dass der Jahresabschluss 2023, der zum 30. vorliegen sollte, bis zu 15 Tage später kommt, also demnach am 15. Mai 2024. Grund: das Durcheinander mit dem (neuen) Wirtschaftsprüfer. (Wir berichteten)
https://ir.sonomotors.com/sec-filings/sec-filing/nt-20-f/0001171843-24-002363/
+++ BUCHSTABENSUPPE UND ZAHLENSALAT +++
Am 2. Mai kam dann eine weitere Meldung: Yorkville schießt weitere zwei Millionen in Sono in Form eines Wandeldarlehens. Über den Grund kann man nur spekulieren, allerdings haben wir eine handfeste Vermutung:
Yorkville hatte zugesagt, der GmbH genug frisches Geld zu geben für 2024. Jetzt haben wir in den letzten Jahren sehr viel gelernt, was Jahresabschlüsse angeht. Wichtig ist den Prüfern, dass die Kohle zum Zeitpunkt, an dem der Abschluss erstellt wird für ein ganzes Jahr in die Zukunft reicht – nur dann gibt's das begehrte “Going Concern” im Abschluss, also die Annahme, dass das Unternehmen solide fortgeführt werden kann. Nachdem jetzt der Abschluss 2023 erstellt wird, muss zum aktuellen Zeitpunkt - also Mai - der Geschäftsbetrieb für ein Jahr sichergestellt sein. Also bis Mai 2025.
Mit zwei Mio. kann Sono also sechs Monate zusätzlich weitermachen, die “Burn Rate” liegt geschätzt damit bei gut vier Mio. pro Jahr. Für das Team sicher eine gute Nachricht.
https://ir.sonomotors.com/static-files/0bfca3de-642e-4664-bdf2-683f2f319bcb
Eine Korrektur gibt es noch. Die Bambino – also die Treuhand-Gesellschaft für die Community-Anteile – war im letzten SEC-Dokument falsch benannt. Richtig ist die 255.
Es gibt noch keine Meldung, dass die Aktien dorthin übertragen sind. Muss nichts heißen…
+++ ViPV-Standards +++
Sono war Trendsetter. Und manchmal ist man einfach zu früh. Die GoingElectric-Hater sind ja weiter der Meinung, dass Solar auf dem E-Auto die dümmste Idee seit dem Bananenschäler ist und dass ein Solardach ja gar nicht funktionieren kann.
Nachdem das Fraunhofer Institut, Toyota und Fisker - und Sono - weiter dran arbeiten, gesellt sich nun der TÜV hinzu und erarbeitet einen Standard, um einheitlich zu ermitteln welche Energiemenge Photovoltaik im Dach eines Elektroautos zur Reichweitenverlängerung beisteuern kann.
„Das Potenzial dieser neuen Technologie ist enorm“, heißt es in einer Mitteilung vom TÜV.
Nicht im Text steht, warum die Standardisierung der Messung auch wirtschaftlich relevant ist. Sobald man die Erzeugung vergleichbar nachweisen kann, steht die Tür auf für eine Anrechnung von Förderungen (THG-Quote, ESG-Reporting). Die Normung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Massenmarkt.
+++ BUS KIT +++
Die Hoffnung von Sono ruht auf dem Bus-Kit – alles andere wurde zusammengestrichen. In einem PDF auf der Homepage sieht man auf Seite 4 jetzt das ganze Package. Der Laderegler (MCU) ist dort auch zu sehen und hat inzwischen eine Typgenehmigung für Fahrzeuge im öffentlichen Raum (E1*10R06/02*10196*00).
Vom Design her hat die MCU - wenn das auf dem Bild überhaupt noch die Sono-MCU ist - deutlich Federn gelassen. Kein Alu-Vollgehäuse mehr mit massiven Kühlrippen, die große Ladeleistungen vermuten ließen – eher ein pragmatisches Blechgehäuse in Router-Optik mit zaghafter Kühlung in Schiesser Feinripp Look.
Anschlüsse für Sensoren oder Antennen-Anschlüsse für Echtzeit-Daten sind nicht zu sehen.
In erster Linie geht's jetzt ums Geld verdienen und Effizienz, da gilt der Spruch “ein gutes Pferd springt nicht höher als es muss”.
Im Prospekt findet sich am Ende noch eine Erwähnung des Sion:
“Sono Motors entwickelte die Solarelektronik ursprünglich um ihr Solarfahrzeug - den Sion - möglichst effizient mit Energie zu versorgen. Die Technologie, insbesondere die Ladeelektronik, wurde konsequent weiterentwickelt um Nutzfahrzeuge umweltfreundlicher zu betreiben”.
https://sonomotors.com/site/assets/files/8669/sono_motors_solar_bus_kit_info_sheet_ger.pdf
+++ NÄCHSTE TERMINE +++
Sono hat immer noch die Hütte voll mit dem Sion-Programm – ein Konvolut aus 18 Fahrzeugen und Ersatzteilen. Der Erlös geht an die Gläubiger. Über ein Jahr laufen nun schon die Bemühungen. Wir sind sehr gespannt ob da noch was kommt – Technologie hat ja schon immer einen starken Preisverfall und wird nicht teurer. Im Gegensatz zur Hallenmiete.
+++ TANKSTELLEN +++
Nach dem überraschenden schnellen Aus der E-Auto-Förderung ist der private E-Mobilitätssektor speziell in Deutschland in einem Pausenmodus. Inzwischen produzieren die Unternehmen auf Halde und lagern unverkäufliche Neuwagen sowie Leasingrückläufer. “Der Deutsche” ist noch nicht vom E-Auto überzeugt. Hoffen wir mal. dass die Akkus da auf dem Lager gut gepflegt werden.
https://youtu.be/gdd4tJ0hWUA?si=F2_IyIyPHVjGZjip
Allerdings täuscht die Lage gewaltig, weil einiges im Hintergrund passiert. Das abrupte Ende der Förderung hat viele kalt erwischt - und die neuen “Anreize” der Umweltförderung greifen erst 2025. Sehr viele Unternehmen arbeiten daran, sich richtig aufzustellen – nur sieht man die Ergebnisse noch nicht, weil das Ziel 2025 ist.
Experten gehen von einer E-Mobility-“Durststrecke” von noch etwa sechs Monaten aus, bis die neuen Bausteine Wirkung zeigen und die Strategien der Unternehmen am Markt sichtbar werden.
Auf Unternehmensseite ist “ESG” (Environmental Social Governance) der ganz große Treiber. Ab Januar 2025 müssen alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder 40 Mio. Umsatz berichten (das sind etwa 15.000 in Deutschland), ab Januar 2026 alle kleinen Unternehmen ab 10 Mitarbeiter. Keiner will hier die Hosen runterlassen und als Klimakiller dastehen, daher werden mit Hochdruck Firmenparkplätze mit Ladepunkten ausgestattet und Angebote eingeholt. Auf eine DC-Ladestation ab 150 kW ist die Warteliste inzwischen ein Jahr. Und die Leasingverträge werden alle intensiv geprüft und Optionen vorgesehen.
Auf privater Seite wurde der Bogen von den Herstellern beim Preis deutlich überspannt. Vor Corona lag der durchschnittliche Listenpreis für einen Neuwagen bei 25.500 €. Bei E-Autos liegt der aktuell bei fast 60.000 €. Das ist einfach absurd – und gerade private Kunden machen das einfach nicht mit. Der Sion hätte die Lücke gefüllt – uns war das ja immer klar.
In Peking auf der Autoshow sind alle Weichen – auch der deutschen Hersteller – auf Elektro und autonomes Fahren gestellt. Die neuesten VW-Modelle (ID.CODE) werden für den chinesischen Markt entwickelt und nur dort angeboten. VW redet von China Tempo und von “in China für China”.
https://www.volkswagen-group.com/de/beijing-auto-show-2024-18332
Jede Ladestation bedeutet auch in Zukunft weniger Bedarf an Tankstellen, und hier ist die Richtung eindeutig wo die Konzerne die Zukunft sehen:
Shell gibt 1000 Tankstellen auf und wandelt diese in Ladeparks um:
https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/shell-tankstellen-schliessung-ladepunkte-elektroautos/
Total verkauft alle Tankstellen an einen Einzelhandelsexperten der das Ladengeschäft ausbauen will:
https://totalenergies.de/tankstellen-in-europa-totalenergies-schlie%C3%9Ft-transaktion-mit-alimentation-couche-tard-abJET verkauft alle Tankstellen:
https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/fast-1-000-jet-tankstellen-werden-verkauft/
Bei nextmove wird vermutet, dass jetzt auch eine Beruhigung der kWh-Preise an den Ladesäulen eintreten könnte.
+++ SUPERCHAOS +++
Asti fragte kritisch, wie denn die neueste Meldung von Tesla dazu passt. Elon Musk hatte letzte Woche das gesamte Supercharger-Team entlassen, 500 Personen inklusive Chefin. Und das, obwohl die Abteilung Gewinn erwirtschaftet – und das ist bei Lade-Infrastruktur noch selten.
Eine Erklärung für das Entlassen bei Tesla kann ich auch nicht geben. Das Supercharger-Netzwerk ist DAS Verkaufsargument überhaupt bei Tesla. So ein radikaler Abbau ist normalerweise ein “Pivot”, eine radikale Kurs-Korrektur. Die Verfügbarkeit gegenüber dem Wettbewerb ist jetzt schon super gut. Und ja, viele Stationen sind noch alt mit “nur” 400V-Technik - aber Tesla selbst hat ja noch keine 800V-Fahrzeuge. Aber das sind keine Themen, um gleich alle rauszuwerfen. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Führungsriege den Wechsel zu einem geänderten Geschäftsmodell nicht mitmachen wollte und dann wurden eben gleich alle rausgeworfen.
+++ FUN FACT +++
Noch vor zwei Jahren hieß es von Porsche zum 911er: “Niemand hat die Absicht, einen Elektromotor zu verbauen”. Jetzt ging es doch ganz schnell, und schon im Sommer diesen Jahres bekommt der 911er einen E-Antrieb an der Vorderachse. Aus Gewichtsgründen konnte nur ein kleiner Akku verbaut werden mit sensationellen 2,0 kWh (!). Man hat schon erkannt, dass ein Ladestecker hier wenig Sinn macht, daher kommt der 911er als “Mild-Hybrid” daher, der sich über die Bremsenergie auflädt. Ein Porsche Prius sozusagen.
Wenn also vor Euch in Zukunft ein 911er ruckelig fährt wie ein Tretroller auf dem Kopfsteinpflaster, dann ist das nur ein Fahrer, der den Akku füllt, um beim Ampelstart nicht wieder gegen den Fiat 500 E zu verlieren.
Bleibt gesund und frei von Wetterextremen
Sebastian und Astrid
PS: Nächste Kolumne 2. Juni