#25 Quasar 2, Saxenhammer, Bierdirektionales Laden
Schönen Sonntag. Heute gibt es wie angekündigt den Lagebericht zum bidirektionalen Laden von der Intersolar-Messe in München. Ich habe Euch ein Video mitgebracht, wie live ein Messestand versorgt wird.
+++ Messe-Spezial +++
Seit Jahren habe ich mich nicht mehr so auf eine Messe gefreut wie dieses Jahr auf die Intersolar / Power2Drive. Durch Corona, Videokonferenzen und Digitalisierung wurden Messen gefühlt immer unwichtiger. Man kann sich heute mit jedem innerhalb von Minuten via Internet treffen.
Da die Messe nur drei Tage lief, war alles recht komprimiert. Leider habe ich es nur in die Halle mit den Wallboxen geschafft, und dann war der Tag schon um. So viele Bekannte.
Das Highlight für mich war die “Quasar 2” am Stand von “Wallbox”, die einen Cupra Born am Stand hatten und live das bidirektionales Laden via DC gezeigt haben, mit satten 11 kW. Die Wallbox dazu wird im vierten Quartal 2023 erhältlich sein, das Fahrzeug sei Serienstand.
Hier der LInk zum Video: https://youtu.be/xkgWDESBCEA
Gezeigt wurden alle drei Modi am Beispiel des eigenen Messestands:
Autarkie - Einspeisen für die “schwarze Null”: Das Auto und die Wallbox haben den kompletten Strombedarf des Stands ausgeglichen. Der Stand war mit dem Stromnetz verbunden, hat aber nichts bezogen
Rückspeisung - aus dem Cupra wurden 11 kW entnommen, der Stand wurde vom Auto versorgt, und 7 kW etwa gingen ins Messe-Netz für die umliegenden Stände
Blackout - das wurde um 17:00 gezeigt: Der Stand wurde vom Netz getrennt (simulierter Stromausfall) - und Wallbox und Cupra haben ein Inselnetz aufgebaut.
Beeindruckt haben mich drei Dinge:
Geschwindigkeit der Regelung, das waren alles Millisekunden. Wie man es sich wünscht.
Leistung: Die 11 kW liefen recht mühelos aus der Quasar 2 raus.
Die Tatsache, dass Wallbox die Genehmigung von VW / Seat bekommen hat, live auf der Messe zu zeigen.
Einziger Nachteil: Lautstärke
Der Wechselrichter war ab 5 kW richtig laut. Trotz Messelärm gut zu hören. Und bei 11 kW war das ein Geräusch wie am Schnelllader in der Mittagssonne. Wenn ich mir vorstelle, ich komme abends heim, setze mich auf die Terrasse, und von 18:00 bis 22:00 brummt das aus der Garage oder davor - das könnte den einen oder anderen Nachbarn und mich auch nerven. Ein Nachteil der kompakten Bauform der Quasar 2.
Insider
Hinter vorgehaltener Hand haben einige Wallbox-Hersteller bestätigt, dass sie aktuell mit führenden OEMs Bidi-Produkte entwickeln und testen. Einige machen (wie wir hier schon vermutet hatten) AC, einige DC. Und alle haben 2024 als Ziel. Ein Hersteller hatte nach eigenen Angaben bereits 10 OEMs als Testpartner für sein Produkt.
Angesprochen habe ich auch das Limit von 4.000 kWh, das VW auf seiner MEB Plattform für Bidi aktuell vorsieht. Niemand, mit dem ich gesprochen habe glaubt, dass das auf Dauer Bestand hat. Die aktuelle Lösung, nur eine begrenzte Menge zuzulassen ist aus Angst und Vorsicht - aber wird langfristig fallen. 65 % der Neuwagen in Deutschland sind Leasingfahrzeuge. Die 4.000 kWh reichen für Erstnutzer, so scheint das berechnet worden zu sein. Dabei ist man sich einig, dass ein leichtes Laden / Entladen im Bereich 30 % bis 70 % für den Akku sogar gut ist.
Prognose
Interessant wird es, wie sich der Markt für bidirektionales Laden entwickelt. Viele Aussteller gehen von blühenden Landschaften aus. Ich bin zwar total technikbegeistert, aber vorsichtig und gehe von fünf Jahren aus, bis sich die Spreu vom Weizen trennt. Warum?
Am Anfang ist der Markt für bidirektionales Laden klein: nur neueste Autos können bidirektional Laden, und nur Nerds nehmen den Aufwand auf sich. Und es stürzen sich drei unterschiedliche Herstellersegmente auf denselben Kuchen:
Die Wallbox-Hersteller, die hier ein Produkt anbieten müssen, weil die OEMs und Reseller das fordern
Hersteller von Wechselrichtern für Solaranlagen, die hier ihr ganzes Wissen ausspielen können und eine tiefe Integration in Speicher- und Solarlösungen. Die haben schon lange erkannt, was hier für ein Potenzial drin steckt und Produkte in Vorbereitung. E3DC ist ein Beispiel, auch SolarEdge ist vorne dabei - braucht aber noch bis Ende 2024. Und auch Kostal, die schon für BMW die Bidi-Boxen gemacht haben und auch für Sono liefern wollten. Deren Kerngeschäft ist eigentlich Solar.
Drittens die Energieversorger, die selber große Speicher aufbauen, und so im Wettbewerb stehen zu virtuellen Kraftwerken aus verbundenen Heimspeichern.
Es sind aktuell zu viele Start-ups, die sich hier tummeln. Für alle, die Energie übrig haben zum Speichern, ist Bidi eine tolle Sache. Wenn es läuft wie bei der E-Mobilität, dann schlagen 2024 die Innovatoren zu, das sind die Top 1.5% des Marktes. Kunden, die Fehler in Kauf nehmen, um eine neue Lösung als erste zu haben. Und 2025 bis 2029 folgen die Early Adopter, die schon stärker auf eine runde Lösung achten. Und 2029 geht's dann in die Breite mit dem Massenmarkt.
Was mir auf der Messe auch klar geworden ist: Wenn Bidi ein Geschäft ist, dann werden Stromspeicher unabhängig vom Auto einen Boom erleben sondergleichen. Wir brauchen gar keine Solarpanels in der Wüste, wir brauchen Energiespeicher hier bei uns. Firmen wie Sono und viele andere werden Solarpanel auf jede Oberfläche packen. Richtig stabil wird es erst mit Speicherkapazität. E-Autos bieten sich an und werden ein wichtiger Baustein. Plus stationäre Speicher. Vielleicht erleben die alten Trafotürme eine zweite Blüte als dezentrale Puffer. Einige schöne davon stehen ja noch.
Link zum Bidi-Laden (Handy-Video von mir): https://youtu.be/xkgWDESBCEA
+++ RENAULT 5 +++
Wie vermutet, wollen auch Renault und Volvo mit AC Bidi ab 2024 durchstarten. Volvo scheint zweigleisig zu fahren und DC mit zu unterstützen. AC Bidi hat den Vorteil, dass die Wallbox viel billiger sein wird.
Hier die Konkrete Aussage, dass Renault mit AC-Bidi kommt (wie beim Sion).
https://youtu.be/119L6bQZxhw?t=79
Mehr zum Renault 5, dem ersten Bidi-Fahrzeug von Renault:
https://www.auto-motor-und-sport.de/neuheiten/renault-5-prototype-elektro-comeback/
+++ SONO / SAXENHAMMER +++
Sono kommuniziert immer noch nichts an uns, oder auch sonst irgendeine Form von Fortschritt auf der Website. Im Februar wurde nur mitgeteilt, dass Thomas Hausch sich noch um das “Sell the Sion” Programm kümmern wird. Am 12. Juni gab es nun ein neues SEC-Dokument: Sono teilt mit, dass ein weiterer Berater (“Saxenhammer Advisors”) mit Top-Adresse (Maximilianstraße in München) engagiert wurde, um im Rahmen eines Restrukturierungsplans Investoren zu suchen für jede Art von Verkauf oder Zusammenschluss, als Ganzes oder in Teilen. Ausdrücklich sind auch Kapitalschnitte und Maßnahmen in der Aktionärsstruktur erlaubt. Wobei, so wie wir das verstehen, die Gläubigerversammlung noch abstimmen muss über den Plan.
Das könnte auch eine Erklärung sein, warum der Kurs nach der Meldung um 27% gestiegen ist. Oder es war die Freude darüber, dass offenbar noch so viel Geld da ist, dass noch eine weitere Beraterfirma engagiert werden kann. Und die Aussicht auf radikale Maßnahmen. Oder einfach Zocker. Von dem Geld, von dem mal 30% zu uns sollten.
https://www.sec.gov/Archives/edgar/data/1840416/000117184323003857/f6k_061223.htm
https://www.ecoreporter.de/artikel/sono-motors-werden-die-aktion%C3%A4re-enteignet/
+++ OPES SOLAR +++
Das Thema “Solar on Every Vehicle” kann man auch ganz pragmatisch angehen. OPES Solar hatte 2012 als Motivation, Entwicklungsländer mit Netzunabhängiger Solarenergie zu versorgen (“Solar Energy where it’s needed”).
Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut wurden verschiedene Lösungen entwickelt. Seit 2021 arbeitet man an “ViPV”, Fahrzeugintegrierter Photovoltaik. Schon länger liefert OPES zum Beispiel für Westfalia Wohnmobile eine Solarintegration. Für den LKW-Bereich sieht man auch großes Potential, weil man die Energie dort erzeugt, wo sie gebraucht wird. Auch wenn es auf die eigentliche LKW-Reichweite noch keinen großen Einfluss hat.
https://westfalia-mobil.de/news/2021_pv.php
Kleiner Rückblick auf die ersten Entwicklungen 2016:
https://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/media/pdf/offgrid_2016/II2_2_OPES.pdf
+++ FUN FACT +++
München ist bekannt für größere Mengen an Bier, und so lag es natürlich auch nahe, dass auf der Messe die Wallboxen mit einem Zapfhahn versehen wurden. Bei Google gibts schon lange das G-Bräu, und bei TheMobilityHouse (TMH) konnte man sich an einer umgebauten KEBA am Bierdirektionalen Laden erfreuen.
Bleibt gesund.
Sebastian und Asti