#6: Leapfrogging, Power2Drive, HVO
Schönen Sonntag,
Wir wünschen allen einen trockenen Keller – der Regen im Süden dauert an, dann rollt die Wasserwalze nach Norden. Und noch sieben Tage bis zur Europawahl, Bürgerpflicht. Manche sprechen von Klimawahl. Ansonsten suchen wir Themen für Euch, viel Sono gibt es nicht.
+++ ERNEUERBAR +++
Der 14. Mai 2024 war für die Solarenergie der bisher ertragreichste Tag des Jahres. “Um 13 Uhr wurden 47,1 Gigawatt Solarstrom in das öffentliche Stromnetz eingespeist“ . Die gesamte Photovoltaik-Erzeugung, also inklusive Eigenverbrauch zu diesem Zeitpunkt, schätzt der Betreiber von Energy Charts, Bruno Burger, auf 51,2 Gigawatt. Das ist die Kapazität von etwa 36 Atomkraftwerken.
https://www.pv-magazine.de/2024/05/15/energy-charts-neuer-photovoltaik-rekord-mit-47-gigawatt/
Frankreich hat bei uns eingekauft, weil es solar billiger war. Ein Problem für den Atom-Kraftwerksbetreiber (EDF), die ihren teuren Strom nicht los wurden und daher drosseln mussten.
Das Modell Kernkraft rechnet sich im Sommer daher nicht mehr gut. Wenn dazu oder im Winter noch der Wind weht, läuft es aus Sicht der EE um so besser. Netzbetreiber haben damit zu schaffen. Das darf nicht verschwiegen werden. Südlink ist im Bau, immerhin - und kann später vier Gigawatt verteilen.
https://www.energy-charts.info/
+++ SONO +++
Es gibt keine neuen Dokumente oder Meldungen von unserem ehemaligen Startup der Herzen. Auch nicht, ob die Bambino 255 nun auch Laurins und Jonas Aktien hat. Im Moment (Stand 31. Mai) stehen die Aktien auf 0 Ct, manchmal auf 3 Ct. (Wie immer gilt, keine Aussagen von uns zum Handel, nur Info). Es fehlen weiter gute Storys der GmbH. Dentons macht – gegen Cash – die Geschäftsführung in der Bambino 255 in der die Quote für die Gläubiger gesammelt wird. Der Verkauf des Sion-Programms findet – wenn überhaupt – sehr still statt.
Die alten Filings sind hier zu finden:
https://ir.sonomotors.com/financial-information#idm-tab-block-03
Ein Termin wird auf der Sono Homepage angekündigt: Alles, was Rang und Namen und Geld hat, geht zur 4-fach-Messe ‘The smarter E Europe 2024’ in München vom 19. bis 21. Juni. Wir sind auch da, als (Fach-)-Besucher.
Vier große Themen finden sich in München unter einem Dach:
Solar (intersolar)
Speicher (ees)
Smart grid (empower) und die
Powert2Drive (B5 und B6), die sich vor allem um Ladetechnologie kümmert.
Sono findet man dort am Stand B6.135. Eingang Ost. Sono hat Vertriebsbedarf – die Messe-Präsenz ist naheliegend, auch aufgrund der räumlichen Nähe. Sono ist als Aussteller gelistet mit den
Produktgruppen:
Kristalline PV Module
Wechselrichter
Leistungselektronik und Schutzeinrichtungen
Solare Mobilitäts-und Ladelösungen sowie fahrzeugintegrierte PV (ViPV)
Thematisch hätte man es eher auf der Intersolar verortet, da der Strom zum Fahren gedacht ist, passt die Power2Drive sicher auch.
https://www.thesmartere.de/start
+++ ÄTHIOPIEN STINKTS – LEAPFROGGING +++
Zurzeit kann man interessante Begriffe in den aktiven Sprachgebrauch übernehmen. Wir stellen euch 'Leapfrogging' vor. Es geht um das (freiwillige) Auslassen / Überspringen von Entwicklungsstufen. Wo Disruption schon einschneidend ist, ist Leapfrogging sozusagen ein Booster der Disruption. Einfach mal ne Klasse überspringen.
Die Business-Kasper unter uns kennen das noch von der Satire-Seite “Beratersprech”:
“ES REICHT NICHT MEHR, DIE COMPETITION ZU LEAPFROGGEN. WIR MÜSSEN DIE DISRUPTORS DISRUPTEN.”
Aufgrund der Dringlichkeit weltweiter Reaktionen, um den Klimawandel wenigstens noch zu begrenzen, ist Leapfrogging sehr aktuell.
Besonders in Deutschland reden wir immer noch über Verbrenner-”Verbote”, die es nicht mal 2035 vollständig in der EU geben wird, sondern nur das Verbot fossiler Brennstoffe bei neu zugelassenen Wagen. Während wir uns mit den Schmierstoffherstellern ums alte Frittenfett (HVO) keilen, hat Äthiopien, ein Land mit erheblichem Wachstum, jetzt schon gehandelt. Denen stinkts und sie haben die BEV entdeckt und mit den ICE abgeschlossen.
Die Voraussetzungen sind gut, neben Sonnenenergie hat Äthiopien vor allem Wasserkraft und damit günstigen regenerativen Strom. Ab sofort dürfen deshalb keine Verbrenner (ICE) mehr importiert werden, weder neue noch alte. Die Städte leiden unter dem Dreck “unserer” alten Autos. Über 100.000 Autos die in der EU den TÜV nicht mehr schaffen, werden alleine pro Jahr nach Ghana verschifft.
Eine ganze Entwicklungsstufe wird bei der Motorisierung nun ausgelassen. Weder Öl- noch Automobilindustrie ist im Land. Das ist dann das Leapfrogging, das alte Geschäftsmodelle abrupt in Frage stellt.
Wir hatten das Thema der Technologie-Sprünge schon mal in einem Interview mit Herrn Diess, der genau das schon für Afrika prophezeite. In #28/2023.
Diess: https://youtu.be/29DjFxDiU_g
Äthiopien
+++ WALLBOX +++
In den letzten Kommentaren kam zweimal die Frage, was eigentlich mit der Sono Wallbox ist. Das Projekt ist beendet, das weiß ich aus sicherer Quelle - und es ist auch niemand mehr da, um das weiter zu treiben. Was echt schade ist, ich war und bin überzeugt, dass Sono mit der Wallbox schon vor zwei Jahren die ersten Umsätze hätte machen können.
Der Partner von Sono war Kostal. Kostal schreibt heute noch auf der Homepage:
Wir bauen Ihre bidirektionale Wallbox gemäß Ihrer Vorgaben via Lastenheft oder erstellen eines für Sie mit Features, die Sie vorgeben. Wir bieten die Möglichkeit intelligenten Ladens ("Smart Charging") (...) Selbstverständlich können Sie die bidirektionale Wallbox als AC-Wallbox oder DC-Wallbox produzieren lassen.
Bei 20.000 Reservierern hätten sich viele sicher eine Wallbox mit Sono-Logo an die Wand gehängt – auch ohne Sion. Im Wallbox-Segment sind 20% Provision für den Verkauf einer Wallbox nicht unüblich. Und aktuell sind die Lager der Hersteller randvoll. Die Zurückhaltung bei E-Auto Neuwagen-Verkäufen schlägt direkt durch, bei vielen Herstellern liegen die Nerven blank.
Bevor es eine Erholung gibt, müssen erstmal die Lagerbestände abgebaut werden, das Jahr 2024 haben die meisten schon abgeschrieben. Die Hoffnung liegt auf 2025.
Bei Kostal gehen alle Links – inklusive Impressum – inzwischen zur Compleo-Homepage. Kostal hat die Compleo Charging Solutions damals nach der Insolvenz gekauft. Und Compleo sucht sein Heil aktuell im High Power Charging, also Schnellladen. Im Flottengeschäft lässt sich aktuell Geld verdienen.
https://www.kostal-charging-solutions.com/de-de/produkte/bidirektionale-wallbox/
Hinweis: In #3-2024 hatten wir, nach der eWorld, schon mal was zu Kostal.
Was interessant ist: Die größte Nachfrage aktuell, die ich kenne, ist nach Wallboxen, die solar-optimiert laden können. Es kommen immer mehr PV-Anlagen ans Netz, und es ist nichts sinnvoller als ein E-Auto mit Solar-Überschuss zu befüllen. Bei den neuen Wallboxen, die auf der Power2Drive vorgestellt werden, ist das Thema “PV Überschuss” und “Phasenumschaltung” fast immer im Basispaket dabei.
Beim PV- Überschussladen kann die Wallbox den Stromzähler auslesen und lädt das Auto immer dann, wenn die Solaranlage so viel Strom erzeugt, dass ins Netz zurückgespeist wird. Entweder liest man den Stromzähler vom Energieversorger über ein “optisches Auge” aus (Tasmota oder Volkszähler), oder man setzt einen eigenen Zähler direkt dahinter (Smart Meter: TQ, Siemens, Garo, Janitza und viele andere).
Bei der Phasen Umschaltung zwischen ein- und dreiphasigem laden reagiert die Wallbox auf eine Besonderheit: Die kleinste Stromstärke, die eine Wallbox ans Auto signalisieren kann, ist 6 Ampere (1,3 kW). Viele Autos laden jedoch dreiphasig, die laden dann 3x6A (4,1 kW). Geht nun die Sonne auf oder unter, hat man oft weniger als 4,1 kW vom Dach. Man müsste als Signal dann z.B. 3 Ampere schicken, das geht aber technisch nicht. Also greift man mit der Phasenumschaltung der Wallbox zu einem Trick und klemmt zwei Phasen ab. Dann kann man auf der einen Phase genauer regeln, mit 16A kann man einphasig 3,6 kW laden, bis runter auf 6A mit 1,3 kW. Damit das technisch geht, muss die Wallbox jedoch in der Lage sein, einzelne Phasen abzuschalten – was nur wenige können aktuell. Die neuen, die kommen, dann schon.
+++ FUN FACT +++
“Diesel-Dieter” weiß aus eigenen Erzählungen am Stammtisch, dass E-Autos ein emotionsloses Übel sind und echte Männer sich nicht unter 8 Liter Superplus bewegen. Die neueste intellektuelle Gehirnakrobatik kommt von Prof. Wilner aus Hamburg - Professor für HVO/Frittenfett-Sprit. Der argumentiert, dass nur der Verbrenner-Fahrer ein echter Klima-Held ist, weil "ein E-Auto durch den CO2-Rucksack ja praktisch in die entgegengesetzte Richtung läuft” und die CO2-Belastung noch erhöht im Jahr des Kaufs. 10 Jahre dauere es, bis der Klima-Rucksack abgebaut ist. Die 600 Milliarden Kilometer, die in Deutschland pro Jahr gefahren werden, will er mit Benzin aus Abfällen bestreiten (was zufälligerweise sein Forschungsgebiet ist). Und die 10 Jahre aus der Schwedenstudie sind schon lange widerlegt.
Ich habe den Professor mal gegoogelt und einen Vortrag gefunden, bei dem er die Thesen zusammenfasst. Was man hoch anrechnen muss, er hat sich auf die Kritik gemeldet mit einer Stellungnahme. Leider konnte er auch nicht erklären, wo die ganzen Bioabfälle herkommen werden.
Für die These, dass der kurzfristige CO2-Rucksack von E-Autos uns näher an den Abgrund bringt und nur noch Verbrenner in das CO2-Budget passen, bekommt er den Fun Fact des Monats. Wir hätten neben Leapfrogging auch noch ein Schlagwort: Vollpfostenrechnung, äh, Vollkostenrechnung.
https://www.youtube.com/watch?v=-gGrnCp-bos&t=358s
Schöne Woche, bleibt gesund und trocken.
Sebastian und Astrid.