#53: Abschluss 2022, Tony Seba, Cove & Fritts
Schönen Sonntag. Diese Kolumne ist die #53 in diesem Jahr. Klingt komisch, ist aber so. Wir haben zweimal nachgerechnet: 2023 startete an einem Sonntag und endet mit einem Sonntag. Technisch sind das 52 Kalenderwochen, aber 53 Kolumnen. Also, hier sind wir – mit Nummer 53.
Die nächste Ausgabe wird dann am 7. Januar erscheinen und dann immer am ersten Sonntag im Monat – so der Plan.
+++ ABSCHLUSS 2022 +++
Am 26. Dezember tauchte auf der Börsenaufsichts-Seite (SEC) der lang ersehnte Jahresabschluss 2022 (“20-F”) auf. Ein Jahresabschluss und “Transition Report” von Sono, in dem auch viel über 2023 steht.
Auf einmal können es die Sonos doch noch. Leider zu spät für den Sion, aber vielleicht gerade noch rechtzeitig für Solar. Und am 29. war die Hauptversammlung der Sono Group N.V. in Amsterdam, um die letzten Weichen zu Yorkville zu stellen. Vermuten wir, - weil es so geplant ist laut Homepage. Kontakt haben wir keinen.
Wenn alles nach Plan läuft, wird Yorkville die Sono GmbH und Sono N.V. Ende Januar 2024 übernehmen, die Kosten bereits ab Dezember 2023 und das Management komplett austauschen. Zur Zukunft von Solar und dem Bus Kit sind die Meinungen geteilt. Die Idee, damit als erstes und vor allem schnell Umsätze zu erzielen, ist nicht grundsätzlich falsch. Aber da muss mehr passieren und die Story stimmen, wenn die Yorkville-Rechnung aufgehen soll. Uns betrifft das nur noch indirekt, die Quotenvereinbarung für 2025 steht. Danach ist ungewiss.
Wir haben uns durch den 2022er Abschluss gewühlt, das meiste ist bekannt. Yorkville ist – neben der Sono Motors GmbH – der größte Gläubiger der Sono Gorup N.V. und hat dadurch natürlich das größte Interesse.
Was uns neugierig macht, ist, was Yorkville vorhat, um das neue Invest reinzuholen.
https://www.sec.gov/ix?doc=/Archives/edgar/data/0001840416/000117184323007699/sev20221231_20f.htm
Die nächste Etappe ist, bzw. war am Freitag die Agenda die AGM, die Jahreshauptversammlung. Die Agenda gibts auf der Sono Investor-Seite.
https://ir.sonomotors.com/static-files/35ea3550-035c-4ac0-9e9c-7dcec3df6397
+++ PLUTA BRIEF +++
Es trudeln immer noch (!) Briefe von Pluta ein, um zur Gläubigerversammlung am 21.12. einzuladen – obwohl die schon stattgefunden hat. Sehr langsam.
Schnell ging es bei Pluta mit dem Bestreiten der Forderungen aus dem Nachrangdarlehen (FFAV).
Am 21.12.2023 war neben der Gläubigerversammlung auch noch ein zweiter Prüfungstermin, an dem wurden die Nachrangdarlehen bestritten – gibt also keine Kohle für die, die ein Nachrangdarlehen gegeben haben - auch keine Quote. Ist ja auch irgendwo eine Eigenschaft von Nachrangdarlehen, der Nachrang. Ich hatte testweise mein Nachrangdarlehen, das ich gegeben hatte, angemeldet, am 28. Dezember war die Ablehnung bei mir im Briefkasten.
+++ LIGHTYEAR +++
Manche nervt es fast, dass Sono wie eine Katze irgendwie neun Leben hat und immer wieder auftaucht. Ähnlich ist es bei Lightyear. Der One wurde nach drei Exemplaren eingestellt, dann kam wenige Wochen vor Sono die Komplett-Pleite, dann 8 Millionen aus der Community als Nachschuss (die wieder weg sind). Nach “Lightyear startet wieder durch” (im April) heißt es nun Ende Dezember: Neues Invest - “ein spannender Schritt zur Stärkung der kommerziellen Pipeline”. Da die Höhe des Investments nicht genannt wurde, kann das viel bedeuten. Der “Lightyear Layer” – so heißt deren Solarintegration – sucht auch weiter nach Investoren.
Der Fokus liegt laut der jüngsten Mitteilung vorerst weiter auf Solartechnik für Fahrzeuge anderer Unternehmen. Also wie bei Sono.
Wenn Sono mehr als das Buskit kann und will, sollten sie hier genau hinschauen. Wer weiß, ob es nicht klüger wäre, in Kooperationen zu denken. Mit neuer fordernder Yorkville-Geschäftsführung ist das vielleicht denkbar.
https://lightyear.one/lightyear-layer
https://ecomento.de/2023/12/27/lightyear-investition-von-zwei-suedkoreanischen-investmentfonds/
+++ BLAZER +++
Wie schwer es ist, neue Autos auf den Markt zu bringen, sieht man bei Chevy: Der “Blazer”-Verkauf wurde wenige Tage nach dem Start wieder gestoppt, weil zu viele Software-Probleme bestehen.
+++ INTERVIEW +++
Solar Panele sind mittlerweile ein wichtiger Bestandteil von Gebäuden geworden. Im Fahrzeugbau nimmt ihre Verwendung Fahrt auf. Robert von Sono Motors erklärt die Integration von Solartechnologie in verschiedene Flotten-Verkehrsmittel wie Busse, Nutzfahrzeuge und Kühlanhänger.
https://www.klausreichert.de/solarintegration-fuer-fahrzeuge-mit-robert-fritsch-sono-motors/
+++ TONY SEBA +++
Tony Seba hatte vor 10 Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt, als er eine große Umwälzung prognostiziert hat, weil Elektromobilität und Solar zusammenkommen und eine Revolution auslösen. Dank seiner Thesen ist er einer der meistzitierten Vordenker der E-Mobilität und ein gefragter Redner.
Jetzt hat er 10 neue Thesen veröffentlicht. Es lohnt sich darüber nachzudenken, auch wenn man natürlich im Hinterkopf behalten muss, dass er davon lebt, provokante Thesen aufzustellen und diese dann in Vorträgen auszurollen.
Die nächsten 15 bis 20 Jahre werden die umwälzendsten in der Geschichte sein, mit einem Phasenwechsel, der auf allen Ebenen der Welt stattfindet. (Klassisches Stilmittel: hatten wir vor 10 Jahren schon; Transformation voraus, und Tony hat den Kompass)
Die Kostenkurve für Lithium-Ionen-Batterien hat die Marke von 100 Dollar pro Kilowattstunde unterschritten, was beweist, dass ein Umbruch in der Energiewirtschaft bevorsteht. (Korrekt. dazu kommt, dass die Akkus deutlich länger halten als prognostiziert. Die ersten BMW i3 von 2013 fahren immer noch.)
Tony Seba hat den Preisrückgang bei Solarstrom um 80-90 % genau vorhergesagt und damit die Vorhersagen anderer Experten und Agenturen widerlegt. (Legitimation)
Bis 2030 werden Elektroautos voraussichtlich 5.000 Dollar kosten und damit wirtschaftlich wettbewerbsfähig sein. (Kernthese mit der Garantie immer wieder zitiert zu werden)
Künstliche Intelligenz (KI/AI), AGI (strong AI) und Robo-Taxis könnten auf einen Schlag zusammenkommen und zu einer großen Transformation der Menschheit führen (Was KI kann seht ihr am heutigen Titelbild, das war schwarz weiß, und das einfärben war ein einziger Klick ohne Nachbearbeiten)
Nach Seba (und anderen) wird Solarenergie die billigste Energiequelle überhaupt sein. Die Kosten werden um weitere 70 % sinken, so dass ein 100 %iges Solar-Wind-Batterie-Energiesystem möglich wird. Es braucht dabei keine saisonale Speicherung, Batterien müssen nur wenige Tage Strommangel kompensieren. Die “Clean Energy U-Curve”.
Den Vortrag hielt Seba vor einer großen Runde Ölscheichs, die sehr genau zuhörten und, wenn man im Netz genau hinsieht, sind die jungen Scheichs schon auf der Spur, allein aus ökonomischen Gründen. Im Moment werden nicht nur Mangrovenwälder im großen Stil gekauft, um von Zertifikaten aus Aufforstung später gut zu leben. Stichwort Blue Carbon.
https://www.youtube.com/watch?v=7eJKTYc_v-I
+++ STROMAUTOBAHN +++
14.000 km Hochspannungsleitungen sollen neu in Deutschland gebaut werden. 35.000 Kilometer lang ist das Netz aktuell schon. Jetzt wurden sage und schreibe 600 km genehmigt, und auf weiteren rund 400 km kann durch gesetzliche Beschleunigung unmittelbar mit der Umsetzung begonnen werden”.
Nächstes Jahr hat man ein ehrgeiziges Ziel und möchte 1.400 weitere Kilometer genehmigen. Große Diskussion gibt es nach wie vor darum, ob man die Leitungen oberirdisch (mag niemand) oder unterirdisch (besser, aber teurer) verlegt.
Übrigens ist das Hochspannungsnetz inzwischen über 100 Jahre alt, einige der Masten (Typ C1) aus den 1920er Jahren sind immer noch da und in Betrieb (Frechen, und viele noch bei Mannheim, auch noch in Bludenz in Österreich). Ab 1925 wurde die Stromtrasse zwischen NRW und Bayern aufgebaut, für den Austausch von rheinischer Braunkohle und süddeutscher Wasserkraft.
Wer sich erinnert – es ist jetzt 18 Jahre her – dass der Norden am 1. Advent, beginnend am 25. November 2005 einen bis zu sechs Tage dauernden Blackout im Münsterland erlebte. Hochspannungsmasten kippten wie Dominosteine unter der Last vereister Hochspannungsleitungen. Das Alter der Masten (65 Jahre) aus brüchigem Thomasstahl – so wurde später ermittelt – war bei den Schneemengen zwar nicht hilfreich, aber nicht die Ursache des Chaos. Es war einfach zu viel Schnee und Wind – Extremwetter, das nimmt weiter zu. Für Euch verlinkt die eindrucksvolle Reportage von damals. Und aus unserer Sicht ein Appell für unterstützende, schwarzstartfähige dezentrale Lösungen.
Der verstörendste Satz in dem Video “Die Gewerkschaft protestiert” (ca, MIn. 36.30 ff.) und - heute völlig ungewohnt - der Pfarrer am Anfang und Ende der Reportage.
https://www.youtube.com/watch?v=ldC1H6ylr6c
+++ FUN FACT +++
Das Magazin “Moderne Elektronik” von 1909 stellt unter dem Titel “Harnessing Sunlight” (Nutzbarmachung des Sonnenlichts) vier Solarpanel vor, mit jeweils 60W. Schon damals hat Mr. Cove - der Erfinder - die 240 Watt mit einer Batterie gekoppelt, konnte so bis zu drei Regentage überbrücken und hatte immer Licht in seiner Wohnung. 110 Jahre vor der Energiewende. Als Zellchemie kamen Metallstifte und Asphalt zum Einsatz. Die Energie wurde - Fun Fact - in Autobatterien gespeichert, wie sie zur damaligen Zeit üblich waren.
Das ganze ist ein regelrechter Krimi, Cove wurde entführt, Big Oil sah sich bedroht, und auch Edison der gerade Kohlekraftwerke aufbaute war nicht "amused". Und 110 Jahre später retouchiert das renommierte Smithsonian Institute Cove sogar aus eiem Foto auf der Homepage.
Quelle: Modern Electronics, 1909
Hier das PDF von damals: https://www.worldradiohistory.com/Archive-Modern-Electrics/Modern-Electrics-1909-09.pdf
Und der Beleg für die Speicherung in einer E-Auto-Batterie: https://journals.lib.unb.ca/index.php/MCR/article/download/17744/22231?inline=1#no2
Schon 1909 stand unter dem Bild im Magazin “Die Kohle- und Erdölvorkommen sind in vergleichsweise naher Zukunft zur Erschöpfung verurteilt, aber die Sonnenstrahlen werden noch Millionen von Jahren durch unsere Atmosphäre strömen”.
Und jetzt wirds interessant. Laut dem alten Magazin von 1909 lieferte ein solches Panel 60 Watt und war 120x90 cm groß. Heutige Panel dieser Größe liefern 240 Watt, also das Vierfache. Für die damalige Zeit jedoch unerhört effizient. Ich wollte wissen, was Cove da genau an Material eingesetzt hat. Im Text steht nur Asphalt und eine “geheime Metall-Mischung”.
Und dann tauchte beim Suchen im Internet dasselbe Bild auf – aus dem Jahr 1884, aber ohne Mr. Cove drauf. Wo ist er hin?
https://twitter.com/solar_dave/status/1317631662554046464/photo/1
https://www.smithsonianmag.com/sponsored/brief-history-solar-panels-180972006/
Beim “Smithonian” und im Buch von John Perlin wird ein Mr. Fritts aus New York als Hersteller der Panels auf dem Foto angegeben - im Jahr 1884. also fünfzwanzig Jahre vorher. Einzige Quelle des Fotos ist eine Postkarte im Besitz von John Perlin, der ein Buch über 4.000 Jahre Solarenergie geschrieben hat. Als Zellchemie werden Selen und eine Goldbeschichtung angegeben (was zumindest technisch funktioniert) mit einem Wirkungsgrad von 1% - 2%.
Fritts prophezeite optimistisch, dass "wir bald sehen werden, wie die photoelektrische Platte mit kohlebefeuerten Stromerzeugungsanlagen konkurriert", den ersten mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken, die Thomas Edison gerade in USA aufbaute.
Da Edison auf dem Kohle-Trip war, schickte Fritts ein Panel nach Deutschland zu Werner von Siemens auf der Suche nach Mitstreitern. Der war auch schwer beeindruckt und hatte die Tragweite sogar öffentlich betont, wollte aber erst verstehen, wie das funktionierte: Der photoelektrische Effekt war damals unbekannt und man war sich nicht sicher, ob die Wirkung von Dauer war. Die “Zauberplatten” erzeugten scheinbar ohne Brennstoff und ohne Wärmeabführung Strom, und dass es kein Perpetuum Mobile gibt, wusste man damals schon.
https://www.zeit.de/2004/23/ZL-Solarenergie/komplettansicht
Erst Einstein konnte 1905 nachweisen, dass Licht aus elektromagnetischer Strahlung (Photonen) besteht, die wiederum die Energie liefern um die Elektronen zu bewegen.
Aber zurück zum Foto: Von Mr. Cove gibt es eine ganze Reihe von Fotos, die zeigen, wie er erst in Kanada verschiedene Panels entwickelte. Von dem Panel in New York gibt es einige Fotos, hier einige davon:
https://solar.lowtechmagazine.com/2021/10/how-to-build-a-low-tech-solar-panel
Auch die Patentanmeldung zeigt diese Panels. Klar ist, die Panels sind von Mr. Cove und seinem Labor auf einem Dach in New York - 118 Maiden Lane. Und nicht bei Fritts wie es bei Twitter, im Buch von John Perlin und dem Smithsonian behauptet wird.
Wer war Mr. Cove? Er hatte ein Startup für seinen Solar Electric Generator (SEG) und die an die Börse gebracht und für eine Million Dollar Aktien verkauft (30 Millionen heutige Dollar). Die Firma ging übrigens nach zwei Jahren pleite und hatte sogar 5 Millionen Dollar eingesammelt (150 Mio. nach heutigem Geld). Angeblich wurde er sogar entführt, damit er aufhört (oder es war eine PR-Aktion, da ist man uneins). Die Website Bellingcat hat sich auch ausführlich mit den beiden Fotos befasst und ebenfalls Mr. Cove als den Erfinder identifiziert - wir sind also auf dem richtigen Weg:
Das Foto ohne Mr. Cove findet sich bei John Perlin, und nur hier, auf der Promo-Tour zum Buch “Let It Shine: The 6,000-Year Story of Solar Energy”.
https://youtu.be/oNzTpWRfhlM?si=HarUsQ6c3LkGEHU4&t=2139
Was kann man festhalten?
Das Foto vom “ersten Solarpanel 1883” beim Smithsonian und John Perlin zeigt kein Panel von Charles Fritts, sondern von George Cove 25 Jahre später. George wurde offenbar herausretuschiert von einem Dritten, der die Postkarte erstellt hat. Das Bild beim Smithsonian ist falsch.
Charles Fritts ist nachvollziehbar der legitime Erfinder der modernen Solarzellen und hatte 1883 mit Selen und Gold das erste Panel gebaut, mit einer Effizienz von 1-2 %.
Eines der Panels von Fritts wurde an Werner von Siemens geschickt, der es an der Preußischen Akademie der Wissenschaften gezeigt hat. Es kann nicht Cove gewesen sein, weil von Siemens 1892 gestorben ist und Cove erst um 1900 aktiv wurde.
Bevor jemand anfängt, die Asphalt-Panels von Cove nachzubauen (einige Prepper-Seiten empfehlen das) - Im Patent von Cove sieht man, dass er den Asphalt zusätzlich zur Sonnenenergie mit einem Ofen erhitzt hat um eine Temperatur-Differenz zu erzeugen und den Wirkungsgrad auf 6% zu heben. Lohnt sich stand heute nicht mehr.
https://solar.lowtechmagazine.com/de/2021/10/how-to-build-a-low-tech-solar-panel/
Damit ist die Story aber noch nicht vorbei. 1909 schrieb Winthrop Packard über Solarenergie:
Öl und Kohle sind nicht in Reichweite des durchschnittlichen Menschen. Wenn er es haben will, muss er es vom Kohlebaron oder Öl-König kaufen. Die Sonnenstrahlen hingegen lassen sich nicht monopolisieren, von keiner kommerziellen Firma der Welt.
Wir leben in spannenden Zeiten, in denen man einen über hundert Jahre alten Krimi auf dem Sofa nachvollziehen kann. Es ist fast unvorstellbar, dass 1909 die Journalisten und Erfinder bereits über eine Zukunft ohne Kohle und Öl nachdachten, sogar von Solar-betriebenen Flugzegen wurde gesprochen. Und doch. ist alles für Jahrzehnte in der Versenkung verschwunden.
Nicola Tesla war eine Fußnote der Geschichte, bis Martin Eberhard and Marc Tarpenning ihre Firma 2003 “Tesla Motors” nannten und ihn damit aus den Schatten von Edison holten. Wer weiß, vielleicht werden auch Fritts und Cove eines Tages Teil der Geschichte.
Schöne Woche, gutes Neues Jahr und bleibt gesund,
Sebastian und Asti